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Ein Sequenzier-Chip kann das Genom eines Menschen analysieren, und zwar in langen Abschnitten von tausenden genetischen Buchstaben am Stück.

© Max Delbrück Center/David Ausserhofer

Feinstruktur der Gene: Ursache für Nierenleiden entschlüsselt

Gene sind Teil komplexer biologischer Programme: Berliner Forschende wurden nun davon überrascht, auf welchen Wegen eine seltene Nierenkrankheit entstehen kann.

Ein Gen-Defekt führt zu einer Krankheit: So einfach ist die Sache selten. Welche genetischen Unterschiede zu Krankheiten führen, ist manchmal schwer zu beantworten. Mitunter sind die Krankheiten auf genetischer Ebene viel komplexer, als man erwarten würde.

Wie vielfältig die seltene Erkrankung „Bartter-Syndrom Typ 3“ ist, hat nun ein Forschungsteam aus Berlin und Köln aufgeklärt. Das Erbleiden beruht auf einem Defekt in den Nieren, den Blutfiltern unseres Körpers. Der Elektrolyt-Haushalt des Organs ist gestört, Nährstoffe und Salze kann es nicht länger aus dem Harn zurück ins Blut verfrachten.

Eine wichtige Pore für Elektrolyte in der Niere

Konkret ist ein Protein betroffen, das wie eine Pore in der Außenhaut der Zelle sitzt und Chlorid-Ionen hindurchschleust. Versagt es seinen Dienst, scheiden die Erkrankten übermäßig Urin aus und haben großen Durst, es kann zu Muskelschwäche, Wachstumsstörungen und Gelenkproblemen kommen. Doch das Erscheinungsbild der Erkrankung ist uneinheitlich. Warum, ist noch unklar.

Wie ein Team um Janine Altmüller vom Berliner Max-Delbrück-Centrum im Fachblatt „Genome Medicine“ berichtet, könnte eine weit verbreitete Mutation zu einem genetischen Defekt in dieser zellulären Pore führen. Bei insgesamt 32 Betroffenen aus Nierenzentren in Köln, Marburg, Münster und London sind die Forschenden zudem auf verschiedene genetische Varianten gestoßen, die das Gen für die Chlorid-Pore betreffen und bislang unbekannt waren.

Kopierter Gen-Schnipsel begünstigt Erkrankung

Vor allem entdeckten die Forschenden eine Kopie eines Schnipsels im Bauplan für das Poren-Protein, das sich in ein benachbartes, sehr ähnlich aufgebautes Gen eingenistet hatte – und zwar bei Kranken wie bei Gesunden. In etwa der Hälfte der Bevölkerung kommt diese Veränderung vor. Bei den Betroffenen war diese Duplikation aber deutlich häufiger. Die Forschenden vermuten, dass dieses Muster im Genom die Entstehung krankmachender Genvarianten begünstigt. Sie hat keine unmittelbaren Folgen für die Träger:innen, aber scheint die Voraussetzung für eine bestimmte Art der Genveränderungen zu sein, die dann zur Krankheit führt.

Bei den Erkrankten identifizierte das Team gelöschte Sequenzabschnitte an acht unterschiedlichen Stellen im Gen, die infolge des genetischen Musters entstanden sein könnten. „Die Strukturveränderung ist faszinierend, weil sie evolutionär gesehen ein Mutations-Hotspot ist“, sagt Altmüller. Die Nierenerkrankung hat damit nicht eine einzige Ursache, sondern könnte auf verschiedenen Wegen und spontan entstehen.

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